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Der DBJR fordert stärkere Berücksichtigung der Interessen junger Menschen

am 16.12.2020 - 12:11 Uhr

Der Deutsche Bundesjugendring nimmt im Interesse junger Menschen Stellung zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Als Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Landesjugendringe vertritt der DBJR rund sechs Millionen engagierte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Der DBJR-Vorstand hat am 30.10.2020 die folgende Stellungnahme zur Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen:

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und ihre Überarbeitung haben eine große Bedeutung. Sie sollte nicht nur auf europäischer, sondern auch auf internationaler Ebene aufzeigen, wie eine wirtschaftlich, sozial und ökologisch erfolgreiche Transformation gelingen kann. Es ist zwingend notwendig, dass die Relevanz der Strategie gestärkt wird. Die politischen Aktivitäten zur Umsetzung müssen erhöht und besser ausgestattet werden, damit angemessen an Indikatoren und Maßnahmen gearbeitet werden kann. Die Nachhaltigkeitsstrategie sollte nicht nur einen Bericht liefern. Sie sollte einen Fahrplan festlegen. Dazu müssen die angegebenen Maßnahmen evaluiert und angepasst werden. Die Umsetzungsgeschwindigkeit der Vorhaben muss in dieser Hinsicht zwingend erhöht werden.
Im Folgenden wollen wir auf ausgewählte inhaltliche Aspekte der Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie, mit Blick auf die Sustainable Development Goals (SDG) eingehen.
Armut von Kindern und Jugendlichen in Deutschland wird von der Strategie im Kontext des SDG 1 in den Blick genommen. Erste Ansätze werden erwähnt – wie die Möglichkeit zusätzlicher Leistungen zur Deckung spezifischer Bildungs- und Teilhabebedarfe für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Als Schritte werden Verbesserungen des „Starke-Familien-Gesetz“, die Erhöhung und Neugestaltung des Kinderzuschlags sowie die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe aufgeführt. Diese Maßnahmen sollen Familien und Kinder stärken und entlasten. Wir vermissen in der Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie umfassende Pläne zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut. Es fehlen zugehörige Indikatoren. Die Einführung der Kindergrundsicherung wäre ein wichtiger Schritt, sie ist ein wichtiger Baustein dafür, Existenznöten und Chancenungleichheiten junger Menschen entgegenzuwirken – wie im SDG 10 vorgesehen – und ein gutes Aufwachsen frei von ökonomischer und sozialer Benachteiligung zu ermöglichen.
Mit Blick auf die Coronapandemie, machen erste Studien bereits deutlich, dass junge Menschen überproportional stark von den ökonomischen und sozialen Konsequenzen der Krise betroffen sind. Bestehende Probleme wie hohe Jugendarbeitslosigkeit, Jugendarmut, die Sorge vor den Folgen des Klimawandels, Zukunftsängste aber auch fehlende Freiräume für junge Menschen erzeugen einen immensen Druck. Folgen davon sind Depressionen oder andere psychische Erkrankungen. Aus diesem Grund müssen Aspekte der psychischen Gesundheit eine größere Rolle im Bereich des SDG 3 spielen. 50.000 junge Menschen haben an der Erstellung der EU Youth Goals mitgearbeitet. Jugendziel #5 beschäftigt sich explizit mit den Forderungen zu psychischer Gesundheit. Als DBJR haben wir an den Youth Goals entscheidend mitgewirkt und schließen uns den dort formulierten Forderungen an: Es müssen Maßnahmen getroffen werden, welche Resilienz bei jungen Menschen stärken und perspektivisch die gesellschaftlichen Stigmata auflösen. Probleme mit der psychischen Gesundheit dürfen zu keinen Nachteilen in Schule, Ausbildung, Studium oder Beruf nach sich ziehen. Auch sollte ein inklusivere Zugänge zu therapeutischen Einrichtungen müssen in der Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigt werden.
Im Kontext des SDG 4 sehen wir es positiv, dass außerschulische Bildung einen Platz in der Strategie einnimmt. An der Weiterentwicklung sollten junge Menschen beteiligt werden, insbesondere mit Blick auf den Prozess zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Jugendverbände können hier die richtigen Ansprechpartner sein. Wir fordern eine dauerhafte Absicherung und strukturelle Förderung außerschulischer und nicht-formaler Bildungsangebote sowie die Stärkung von Freiräumen für Kinder und Jugendliche als unverzweckte Orte. Zudem braucht die Nachhaltigkeitsstrategie einen Indikator, der mit Blick auf BNE deutlich die Entwicklungen und die Arbeit im außerschulischen/non-formalen Bereich abbildet.
Digitale Kompetenzen werden immer wichtiger. Aus diesem Grund müssen alle Geschlechter gleichermaßen im Umgang mit digitalen Tools geschult werden. Aktuell ist im Bereich Digitalisierung jedoch ein „digital gender gap“ zu identifizieren: Frauen erreichen im Vergleich zu Männern einen geringeren Digitalisierungsgrad. Echte Gleichberechtigung und Gleichstellung findet auf allen Ebenen statt, weshalb die Gleichstellung der Geschlechter auch im Bereich der Digitalisierung gewährleistet werden muss. Wir schlagen die Einführung eines Indikators zum Digitalisierungsgrad der unterschiedlichen Geschlechter vor, der Kenntnisse, Wissen und Zugänge zu digitalen Möglichkeiten misst.
Im Kontext des SDG 8 sollte die prekäre Beschäftigung, von der junge Menschen überproportional betroffen sind, in den Fokus gerückt werden. Während die Folgen der Banken- und Finanzkrise für die Beschäftigung von jungen Menschen in vielen Ländern immer noch nicht überwunden sind, schlägt nun zusätzlich die Corona-Pandemie mit voller Wucht zu und hat insbesondere schwerwiegende Folgen für junge Menschen auf der Suche nach einem qualitativ hochwertigen Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Um diesen Folgen zu begegnen, setzen wir uns für verbindliche, europaweite Mindeststandards in der Ausbildung, einer Verbesserung der europaweiten Mobilität und eine Stärkung von Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit ein, wie etwa den Ausbau der EU Jugendgarantie.
Mit dem SDG-Unterziel 8.6 hat die Staatengemeinschaft versprochen, bis zum Jahr 2020 den Anteil junger Menschen substanziell zu reduzieren, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in beruflicher Ausbildung befinden (NEET). Dieses Ziel wurde verfehlt. Auch in Deutschland bleibt der Anteil unbefriedigend hoch; insbesondere der Unterschied zwischen Männern (7,3 %) und Frauen (15,2 %) bleibt erschreckend hoch. Eine Senkung des NEET-Anteils sowie eine Anpassung der Rate zwischen Männern und Frauen in Deutschland, sollten in die Nachhaltigkeitsstrategie mit aufgenommen werden und trotz Auslaufen des Unterziels 8.6 einen hohen Stellenwert bekommen.
Die Einhaltung von Menschenrechten sowie Arbeits- und Umweltstandards muss entlang der gesamten Lieferkette gewährleistet werden – von der Rohstoffgewinnung bis zur Endfertigung. Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, müssen dafür haften. Wir erachten ein Lieferkettengesetz als einen zentralen Baustein für Nachhaltige Entwicklung mit positiven Entwicklung auf viele Bereiche der 2030 Agenda, insbesondere auf die SDGs 12, 8, 13, 14 und 15.
Wir begrüßen die Ausführungen zum SDG 9 und zur Mobilität als wichtigem Faktor, um gute und barrierearme Voraussetzungen für soziale Teilhabe zu schaffen. Insbesondere Kinder und Jugendliche haben ein hohes Mobilitätsbedürfnis. In der Nachhaltigkeitsstrategie fehlen Ideen und Indikatoren für eine jugendgerechte Mobilität. Mobilität ist ein Schlüssel für Bildung, ermöglicht Erfahrungen und Zugänge zu neuem Wissen und die stellt die Anfahrt zu verschiedensten Räumen der Teilhabe sicher. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Bahnverkehr dürfen nicht nach rein wirtschaftlichen Interessen gesteuert werden – soziale und ökologische Aspekte müssen Vorrang haben.
Die planetaren Grenzen dürfen nicht noch weiter überschritten werden, weshalb stärkere Anstrengungen bei der Erreichung der SDG 13, 14 und 15 notwendig sind. Die Ziele der Bundesregierung für die Reduktion des CO2-Ausstoßes leisten keinen ausreichenden Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss deutlich verstärkt werden, um den notwendigen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu realisieren und diese Energieträger zu substituieren. Eine generationengerechte Energiepolitik schafft Anreize, um den Ausbau regenerativer Energieanlagen stärker zu fördern. Erforderlich ist eine Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien.
In Bezug auf das SDG 16 setzen wir uns dafür ein, dass die Kinderrechte und damit auch die Beteiligungsrechte von jungen Menschen in Deutschland stärker umgesetzt werden. Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ist daher zwingend notwendig. Politische Teilhabe bildet eines der Unterziele des SDG 16. Mit Blick auf die Jugendstrategie der Bundesregierung, die ebenso ressortübergreifend gedacht wird, nimmt die Nachhaltigkeitsstrategie so gut wie keinen Bezug auf Jugendbeteiligung. Nicht nur im Bereich Bildung nachhaltige Entwicklung sind junge Menschen zu beteiligen, sondern hinsichtlich der UN-Kinderrechtskonvention in allen Bereichen, die sie betreffen. Hierbei müssen strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen und Qualitätskriterien für gute Jugendbeteiligung eingehalten werden.
Zur kompletten Umsetzung des SDG 16 fehlt weiterhin ein klarer Fokus auf den Beitrag junger Menschen zu Friedensprozessen und Konfliktlösung. Die inklusive Teilhabe junger Menschen an Friedensverhandlungen muss verbessert werden, weil sie zur Nachhaltigkeit und Legitimität von Friedensabkommen beiträgt. Der Beitrag junger Menschen und Jugendorganisationen zur Konfliktprävention muss gewürdigt und besser finanziert werden sowie in die überarbeitete Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden.
In Bezug auf das SDG 17 erneuern wir als DBJR unsere Forderung, die tatsächlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe auf mindestens 0,7 Prozent des deutschen Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Dies ist aus unserer Sicht nicht nur dringend notwendig, sondern auch für deutlich vor 2030 erreichbar.

Beschlossen vom DBJR-Vorstand am 30.10.2020

Quelle: Deutscher Bundesjugendring

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